Juli 1999 

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Im Juli 99 war ich an kurz aufeinanderfolgenden Tagen in einem sehr großen Elektronikhandel (Media-Markt, Mülheim) auf der Suche nach einem PC und bald danach im Neandertal-Museum  ... und hatte anschließend, wie mir schien, allen Grund,  mich einmal gedanklich mit dem Thema der „Globalisierung“ auseinanderzusetzen. Sie als Leser/in haben natürlich das Recht zu fragen, warum ich für mich zwischen dem Museum und dem  Laden Parallelen gezogen habe und warum mich beide Erlebnisse so beeindruckt haben!

Zur Erklärung „Elektronik-Supermarkt“: Den Media-Markt kenne ich aus der Zeit meiner PC- und Software-Einkäufe; groß war der Laden immer und das Angebot  schien mir eigentlich schon immer „flächendeckend“. Allerdings, die Angebots-Vielfalt deutscher und ausländischer Produkte, die ich jetzt im Juli 99 vorfand, war einfach enorm! Es war einfach alles da vom Pfennigartikel über das Weckradio für 20,-- bis 30,-- DM, es gab Elektrogeräte jeder Art, auch PC´s und Software in jeder Qualität und Preislage, da standen Fernseher aller Formate bis hin zum Heimkino-Format für 30.000,-- DM. Ich stand in der großen Halle und glaubte nachempfinden zu können, wie damals kurz nach der Wende der „Ossi“ (Pardon!) das Angebot der Supermärkte und Baumärkte empfunden haben mag. Da stand ich in der Mitte der Halle und staunte einfach nur ...

Das zweite Mal machte ich mir über die permanenten Veränderungen bei Mensch und Gesellschaft Gedanken, als ich im hochmodernen, ganz und gar nicht verstaubten  Neandertal-Museum war. Beim Betrachten der Exponate, Modelle etc. dieses alles andere als langweiligen Multi-Media-Museums kann man ein Gespür dafür entwickeln, in welch (für die Menschheitsgeschichte) kurzen raschen Schritten sich die Menschheit entwickelt hat und wie es zur Bevölkerungsexplosion kam und wie die Menschen damit umgingen, im Laufe der Jahrtausende immer mehr aufeinander zugehen, zusammenrücken zu müssen. 

   

In Anbetracht der immer schnellerer Ver­änderungen unserer (Er-) Lebenswelt, frappierender Fortschritte in Forschung und Wis­senschaft, unvorstellbarer neuer tech­nischer Möglichkeiten und ihrer überstürzenden Wirkungen auf die Arbeitswelt und die  immens gewachsenen Arbeitsmärkte hat sich ein Begriff wie ein Schlüssel zum Ver­ständnis aller Zusammenhänge ein­genistet: der Begriff“ Globalisierung“.

Dieser Begriff wird quasi als Entschuldigung und Erklärung verwendet, wenn betriebliche Entlassungen zu begründen sind. Aber auch, wenn über neue Kapitalgruppen berichtet wird, die gewissermaßen von einem Tag auf den anderen immense Reichtümer anhäufen, dient der Begriff „Globalisierung“ als Erklärung für den Geschäftserfolg der schnell zupackenden Manager und Kapitalverwalter. So dient der Begriff jedem: dem Pessimisten wie dem Optimisten als Interpretation für die derzeitigen (Arbeits-)Marktverhältnisse. Dem einen gilt der Begriff als Umschreibung für eine bedenliche Entwicklung, dem anderen als Ausdruck einer heilsbringenden Zeiterscheinung. Eigentlich aber gibt es - wieder einmal (siehe Neandertal-Museum) - nix Neues zu berichten, -  außer, daß -  wie schon seit Urzeiten -  die wis­senschaftlich-technische Entwick­lung sich fortlaufend schneller und schneller entwickelt, das Menschenkind aber sich in seinen körperlichen und psychischen Eigenschaften und Bedürfnissen sich langsam und nur in Aber-Jahrtausenden verändert.

Im Juli 99, anläßlich eines Besuches im Neandertal-Museum, ging mir Folgendes durch den Kopf:  Seit dokumentiertem Menschengedenken hat der Mensch versucht, seine Herrschaft über den Raum, der ihn umgibt, zu erweitern.  Das ging gewissermaßen wie im Neandertal-Museum zu sehen ist, vom Fußlappen um die Beine zur Sandale am Fuß und  zum Sattel auf dem Pferd; vom Karrenrad zum inter­nationalen Superjet; vom Megaphon zum Internet. Heute wird die Erde nicht wie früher im Jules-Verne-Roman in 80 Tagen umrundet, nein, heute sind es wenige Sekunden am Handy, Fax oder Video-Telefon oder Standleitung, die es uns erlauben, faktisch zeitgleich überall zu sein. Der Frankfurter Börsenhändler hat heute innerhalb 21 Sekunden die Ausführung seiner Order aus New York zurück.

Diese Entwicklung während der letzten 50 - 100 Jahre war wirklich rapide. Aber es war eben nichts wirklich grundsätzlich anderes als der Fort­schritt, den frühere Generationen mit Eisenbahn, Auto, Flugzeug und Tele­fon erfuhren. Als die ersten Lokomotiven über 30 km/h fuhren, meldeten die ersten Wissenschaftler Bedenken für die Gesundheit an; um die Jahrhundertwende wollte der Leiter des französischen Patentamtes seinen Posten aufgeben, weil nach seiner Meinung alles erfunden worden war.

Ja, das Tempo der Entwicklungen war eigentlich schon immer immens ... Ein Unterschied ergibt sich allerdings ganz klar: Wenn es früher um einige wenige Menschen und Konsumgüter ging, so geht es heute, in einer Ära fast un­begrenzter Transportresourcen, um ganze Gesellschaften und fast alle unsere Wirtschafts- und Konsumgüter. Alles ist von überall her verfügbar. Fremde Kulturen sind in unsere Nähe gerückt ... es leben  heute gewissermaßen  Steinzeitmen­schen nur noch in Stundenentfernung von den Bewohnern der Wolkenkrat­zer.

Es ist die wissenschaftlich-techni­sche Entwicklung, die unser Leben so grundsätzlich verändert. Und die ,,Globalisierung“, dieses Wort für eine nahe Nachbarschaft aller Men­schen auf dieser Erde, ihrer Kulturen und Unternehmen, ist nur die Folge. Es ist nun diese neue Nachbarschaft, die wir als unerwartete Konkurrenz und oft auch als fremde Bedrohung empfinden. Nur, wir müssen wissen: Globalisierung ist nicht die Folge ir­gendwelcher Einzelentscheidungen mächtiger Menschen in Politik oder Wirtschaft -  Globalisierung war die unvermeidliche Folge unseres menschlichen Strebens, unserer (Neu-)Gier, unseres Erkenntnisdrangs, aber auch unseres Wettbewerbstriebes und Machthungers. Menschen, die wir sind und bleiben trotz aller Technik, haben den Weg gemeinsam ein­geschlagen, es ist ein gemeinsamer ,,Prozeß der Zivilisation“. Niemand wird sich verstecken können.

Während wir einerseits diesen Weg in die große Welt des Handels und des Kapitals gingen, haben wir uns andererseits zugleich in einer viel kleineren häuslich eingerichtet: In den Familien, in den Gemeinden, der Region eines Landes und schließlich in einem Nationalstaat. Hier, in die­sen kleineren Räumen, haben wir uns ein ausgeklügeltes System von Regeln geschaffen, das dem einen seine Frei­heit, dem anderen aber auch Schutz gegen Übergriffe der Mächtigeren ga­rantieren soll.

Und nun prallen sie zusammen: die große Welt der weitgehend computergesteuerten Weltmärkte, die wir global und durch manipulative Kapitalorders in Sekundenschnelle steigern können, und unsere kleinere nationale Ordnung der Arbeitsmärkte des Umweltschutzes, der Altersversorgung, der heimischen Sprache und Kultur. Wie weit werden wir bereit sein, uns „einfärben“ zu lassen?

Es gibt keinen Schutz gegen die zusammenwachsende Welt, die Globalisierung. Und wo unsere heimische Ordnung mit den neuen Kräften zusammenstößt, müssen wir deswegen lernen, damit umzugehen, oft uns auch anzupassen, wie auch unsere Vorväter, als die Eisenbahnen und die Flugzeuge und die Dampfschiffahrt kamen. Die Abwehr wird nicht funktionieren.

Einlassen allerdings werden wir uns am besten können, wenn wir lernen, wie ein guter Schachspieler  beweglich und schnell auf Felderfarben, Finten, Linienwirkung  und Kraftpunkte  zu antworten. Und diese „Spielstärke“ und Beweglichkeit müssen alle lernen: der einzelne, die Unternehmen, die Kommune, und der Staat.

Dabei muß nicht ein jeder zu jedermanns Konkurrent werden. Auch die globalisierte Welt wird ihre Behausungen und nachbarschaftliche Nähe brauchen. Und sie zu bewahren ist die schwere Aufgabe. Aber die neue Welt wird anders sein, mit mehr Verantwortung für jeden von uns.

Wie erklären uns die ratlosen Politiker doch immer so schön:

Eigenverantwortung und Eigeninitiative sind zu unerläßlichen Stärken für die nächste Zukunft geworden. Eigenverantwortung und Eigeninitiative

 

lernen und sie in unserer Gesellschaft zu organisieren, ist zu unserer wichtigsten gesellschaftspolitischen Aufgabe geworden.

Irgendwie klingt das, als wenn wir allein gelassen werden sollen, oder?

Ein hoher Anspruch, der da an die verwöhnte Fernseh-Gesellschaft gestellt wird ... 

 

CARPE  DIEM!

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